Rückbau der Stadt Pripyat

Pripyat soll in den nächsten Jahren zurückgebaut werden.

Dies berichtet die ukrainische Zeitung "Урядовий кур’єр" (ukrainischer Kurier) nach einem Interview mit Dmitry G. Bobro.
Der erste Stellvertretende Vorsitzende der Staatlichen Agentur für die Tschernobyl Exclusion Zone begründet dies mit der Sorge
um die Sicherheit der Touristen und der Menschen die durch die verbreitete Armut immer noch versuchen Schrott wie Guss und Metall aus den verfallenen Ruinen der Geisterstadt zu entwenden um ihre klamme Haushaltskasse aufzubessern.

Nach seinen Angaben sei die Strahlung in Pripyat heute noch 4 - 6 mal höher als vor dem Reaktorunfall und dies mache auch vielen
Schrotthändlern zu schaffen die keine Möglichkeit haben den zu recycelnden Schrott auf radioaktive Strahlung, wie Cäsium oder Strontium zu untersuchen und sich und andere in Gefahr bringen.

Desweiteren sollen vereinzelte Gebäude drohen einzustürzen, da die Strahlung und die Witterungsbedingungen nach 25 Jahren den Materialien so zusetzen, dass sie brüchig und marode werden. Fahrstühle können abstürzen und somit ganze Gebäude zum einsturz bringen da in vielen Häusern der Putz ohnehin schön bröckelt und so der Stahl in den Tragenden Säulen von Rost angegriffen wird.

Probleme hingegen machen die unsichere Finanzierung sowie die Entsorgung des radioaktiven Schutts. Eine komplette Stadt zurückzubauen ist eine bis her noch nie dagewesene Herausforderung und wie mit den Unmengen an Schutt umgegangen werden soll ist auch noch nicht geklärt, jedoch arbeite man daran. Sollte die Finanzierung nicht wieder gekürzt oder gestoppt werden könne in den nächste Jahren damit begonnen werden, bis dahin werden erste Notfallarbeiten geleistet.

Seinen Wünschen nach sollen zwei Gebäude erhalten bleiben und ein Denkmal soll dort errichtet werden.


Quelle:

http://chornobyl.in.ua/pripyat-bobro.html


So habe mal die wichtigsten und interessantesten Fakten leserlich zusammengefasst.





Ich kann diese Entscheidung nicht ganz nachvollziehen. Klar die Sicherheit ist wichtig aber hier spielen meiner Meinung nach noch einige andere Faktoren eine Rolle die mich nachdenklich über diese viel zu schnell entschiedene Überlegung machen.

1.

Ein kompletter Rückbau ist auch mit erheblichen Kosten verbunden die noch enorm in die Höhe schnellen können, da man noch nicht einmal ein sicheres Konzept vorweisen kann, wie mit den zu entsorgenden Materialien umgegangen werden soll und wo diese gelagert werden sollen geschweige denn von der Finanzierung die auch nicht zu 100% sicher ist.

2.

Kann man die Gebäude nicht statisch überprüfen und so präparieren lassen das sie erhalten bleiben, da diese Stadt sowohl als Denkmal wie auch für wissenschaftliche Zwecke von Bedeutung ist? Ein Teil der Kosten könnte durch die Einnahmen des Tourismus gedeckt werden. Wer steckt sich das Geld denn sonst in die Taschen? Die
betroffenen Menschen die unter den Folgen leiden sowie die Angehörigen der Opfer sehen keinen Cent und haben in den meisten Fällen nicht mal eine ausreichende Rente. Der neue Sarkophag wird mit EU-Geldern finanziert.

3.

Pripyat ist einer der wenigen ursprünglich erhaltenen Relikte aus der Sowjetischen Zeit.

4.

Für viele der ehemaligen Bewohner ist Pripyat das letzte Andenken an ihre Angehörigen und dem Leben das sie danach nie mehr zurück bekommen haben, weswegen viele einmal im Jahr am Tag der offenen Tür zum Jahrestag der Katastrophe in die Stadt zurück kehren.

Vielleicht habe ich aber auch nur einfach nicht das nötige Hintergrundwissen und die fakten die der Agentur vorliegen.

Was ist eure Meinung dazu?


LG Kaarster

Hallo Kaarster,

schön, mal wieder von dir zu lesen - wobei die Nachricht mich ehrlich gesagt schon negativ überrascht. Zwar steht die Finanzierung noch nicht, aber schon der Gedanke an einen Rückbau, wird sich in den Köpfen Verantwortlicher über Jahre festsetzen. Wenn dann noch die EU mit einbezogen wird, könnte das tatsächlich umgesetzt werden.

Deine Bedenken decken sich ziemlich mit meinen. Die Stadt wird für ehemalige Bewohner und deren Familien immer einen ganz besonderen Wert haben, der mit Geld nichts zu tun hat. Man würde ihnen mit dem Rückbau das letzte Stück greifbare Geschichte rauben und das fände ich fatal - von den Kosten und den wegfallenden Arbeitsplätzen mal abgesehen. Außerdem bliebe das Gelände selbst ohnehin belastet, weshalb ich den Rückbau auch als unnötig empfinde.

Gruß
Feindbild

Hallo Feindbild,

danke das beruhigt mich das ich nicht alleine in diese Richtung denke.

Ich hoffe die EU wird nicht so dumm sein und Gelder für so ein unnützes Vorhaben zu verprassen. In der Ukraine fehlt es an allen Ecken und Enden an Geld und das was man hat sollte man nicht damit verschwenden verlassene Städte zu recyceln. Ich würde ja noch verstehen wenn die Ukraine die Stadt sperrt und sich selbst überlässt weil es zu gefährlich dort ist aber solche Vorhaben sind einfach nur unüberlegt. Mir kommt es ehr vor als versuche man das schwarze Kapitel unter einer großen Halle verschwinden zu lassen und was noch übrig bleibt dem Erdboden gleich zu machen. Was wir nicht sehen existiert nicht. Leider gibt es dort diese Denkweisen all zu oft.

Wie gesagt schön wäre es der Nachwelt und den hinterbliebenen ein Stück Geschichte zu lassen. Selbst da wären EUgelder sinnvoller angelegt. Und ich bin mir sicher das es auch eine Menge freiwilliger gibt die dabei helfen würden.

Auch der Aspekt das Menschen eine Art Mahnmal brauchen um zu begreifen was passieren kann wenn... finde ich nicht unwichtig, denn wie schnell kehrt man nach solchen Ereignissen wieder zum normalen Alltag zurück wenn man nicht selber von so etwas betroffen war. Wenn jetzt auch die Dinge verschwinden die die Menschen zum nachdenken anregen sollen und daran errinnen das wir mit einem gewissen Respekt der Technik gegenüberstehen sollten, wird in ein paar Generationen der Umgang mit der Atomkraft nicht gerade einfacher und sicherer.



LG Kaarster

Ich finde es bedenklich, wie leichtfertig man viel zu oft mit Geschichte umgeht. Sicher gibt es in jedem Land Kapitel, die man gerne vergessen würde und Tschernobyl gehört da eindeutig dazu (also rein Regierungstechnisch), nur darf man das nicht einfach so zulassen. Manchmal, wenn ich so durch unseren Ort gehe, erinnere ich mich an alte Gebäude; an Schulen, die jetzt Wohngebiete sind, oder ehemals bewaldetes Gebiet, in dem jetzt Haus an Haus steht. Wenn ich mir überlege, was dabei oft schon für ein flaues Gefühl von Melancholie in mir aufkommt... wie fühlen sich erst die, die damals in Prypjat wohnten, wenn man all ihre schönen Erinnerungen dem Erdboden gleich macht. Eine traurige Vorstellung.

Gruß
Feindbild

PS
Wir werden das Thema in Form eines News Blogs im Archiv aufnehmen.

Kleiner Nachtrag... wir haben im Archiv nun den angesprochenen News Blog mit integriert. Zudem werden jetzt auf der Startseite aktuelle Neuerungen angezeigt, damit man als Gast nachvollziehen kann, dass an der Seite gearbeitet wird.

Gruß
Feindbild

Hallo zusammen,

Interessanter Bericht Kaarster, schade aber um die Stadt. Ich vermute mal, die Ukraine wird kein Geld für den Abriss zusammen bekommen und einfach die Stadt schließen. Ab 2014 wird das Kernkraftwerk in den sicheren Einschluss überführt und das Betriebspersonal auf ein Minimum reduziert, ich denke mal gleichzeitig wird man auch Maßnahmen in Pripjat ergreifen.

Erinnert mich aber irgendwie an Dezember 1988, als das Verteidigungsministerium der UdSSR an der Baubasis eine Bombe explodieren lassen wollte um den Abriss von Gebäuden zu erproben um später Pripjat abzureisen. Ich hoffe nur, dass die Ukraine sich diesen Gedanken verkneift.

Beste Grüße,
TZV

Hallo Kaarster....


Nun ich habe ja mit dir darüber telefoniert und auch ich sage es sind unsinnige kosten, die in dieses Vorhaben gesteckt werden sollen. Da wären so fragen wie:

Wohin mit dem ganzen Schutt?
Wer Bezahlt die Arbeiter?
Warum jetzt auf einmal, wenn 26 Jahre die Stadt so blieb wie sie nun mal als Manmahl dient?
Was soll aus dieser Umgebung und diesem Ort werden?
Was plant man?
Warum soll auch diese Stadt einfach verschwinden? ohne einen kleinen Funken Respekt der Opfer die einmal im Jahr zu Ihrem Gedenkort gehen...
und viel Leid ertrugen...

Und so weiter...
Meine Meinung? Ich finde es einfach nur respektlos! Den Opfern gegenüber und der Nachwelt. Wie sollen sie erfahren, was damals geschah? und was soll aus so einem verstrahlten Ort werden? ... den sich die Natur zurück holt. Ein Ort des Gedenkens!

Dein Beitrag zur Stadt ist der Beitrag, den ich auch noch zum ursprünglichem Sarkophag leisten werde! Der ja auch ab 2015 einfach verschwinden soll. Haubtsache ER hat getan geht nicht:
Denn deshalb rief ich dieses Projekt ins Leben.

Herzliche grüße Kaiew....

Hm, das Ansinnen, die Stadt einzuebnen, gibt es meines Wissens nach schon lange. Zieht man allerdings die Liquidität des ukrainischen Staates in Betracht, kann ich mir kaum vorstellen, dass die Obrigkeiten sich zu einer Investition in dieser Größenordnung durchringen könnten. Zumal dadurch ja auch nicht wirklich etwas gewonnen wäre: die Wiederverwendbarkeit des Areals dürfte sich in Grenzen halten. Abgesehen davon sind lt. meinen Kontaktpersonen die Obrigkeiten auch selber ausreichend in den illegalen Schrotthandel aus der Zone verwickelt, um ein solches Vorhaben nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Ich persönlich halte das regelmäßige Aufflackern des Themas in den ukrainischen Medien für nichts weiter als eine Möglichkeit, von anderen Problemen abzulenken. Und als "Fan" der Zone hoffe ich inständig, dass ich mich nicht irre...

Hallo Sickranium,

das sehe ich ähnlich. Der ganze Tourismus um die Sperrzone ist ein viel zu einträgliches Geschäft, als das ernsthaft über einen Abriss diskutiert werden würde. Es ist ja nicht nur der Handel mit Schrott. Mit etwa einer Million Besuchern, die so gut wie alle ja auch nach Prypjat gekarrt werden, wird man sich das sicher zweimal überlegen. Zudem wäre es schade, einen der "lost places" so würdelos zu verlieren.

Freundliche Grüße und herzlich willkommen hier im Forum
MrT

MrT schrieb:

Der ganze Tourismus um die Sperrzone ist ein viel zu einträgliches Geschäft, als das ernsthaft über einen Abriss diskutiert werden würde. Es ist ja nicht nur der Handel mit Schrott.

Es fällt halt auf, dass gerade die Orte, an denen massig Altmetall rumliegt (Rassocha, Duga3, der Hafen in Chernobyl,...) für den Tourismus gesperrt sind. Dass das hauptsächlich dazu dient, nicht bei diversen illegalen Machenschaften erwischt (oder sogar fotographisch dokumentiert) zu werden, wird man von offiziellen Guides nie hören, und vom Rest auch nur unter vorgehaltener Hand. Wahnsinnig schade, nach Duga3 hätt ich letztes Mal meinen rechten Arm für einen Besuch in Rassocha gegeben. :(

MrT schrieb:

Zudem wäre es schade, einen der "lost places" so würdelos zu verlieren.

Wohl wahr... Mir zerreißt es schon so jedesmal das Herz, wenn ich mir ansehe, was in der Stadt schon alles von Vandalen/Dieben zerstört wurde. Aber vielleicht bin ich zu idealistisch, wenn ich finde, dass ein solcher Ort respektvoll behandelt werden sollte...

Zitat :

Wohl wahr... Mir zerreißt es schon so jedesmal das Herz, wenn ich mir ansehe, was in der Stadt schon alles von Vandalen/Dieben zerstört wurde. Aber vielleicht bin ich zu idealistisch, wenn ich finde, dass ein solcher Ort respektvoll behandelt werden sollte...

Das kann ich nachvollziehen. Ich bin aber auch irgendwie altmodisch und hänge an Plätzen wie diesen. Manches sollte man trotz all des Fortschritts nicht einfach glatt bügeln.

Grüße
MrT

MrT schrieb:

Das kann ich nachvollziehen. Ich bin aber auch irgendwie altmodisch und hänge an Plätzen wie diesen. Manches sollte man trotz all des Fortschritts nicht einfach glatt bügeln.

Seh ich genauso. Zumal man hier nicht mal von Fortschritt sprechen könnte. Es gibt ja nicht wirklich was zu gewinnen...

Die Ausrede mit den Sicherheitsbedenken, weil doch die Gebäude alle einsturzgefährdet wären, halte ich auch für ziemlich billig. Der Zutritt zu sämtlichen Gebäuden in Pripyat ist so oder so schon seit JAHREN verboten. Nicht dass sich da zwingend jeder dran halten würde, aber die Ukraine ist jetzt auch nicht gerade Spitzenreiter, wenns um die Kontrolle von Sicherheitsbestimmungen gibt. Also dass sich da wirklich jemand Sorgen macht, es könnte sich wer verletzen, kauf ich denen nicht ab....

Zitat :

Die Ausrede mit den Sicherheitsbedenken, weil doch die Gebäude alle einsturzgefährdet wären, halte ich auch für ziemlich billig.

Das kann ich mir auch nicht ernsthaft vorstellen. Warum sollte man sich darüber auch Gedanken machen, wenn das Gelände doch sowieso verseucht ist.

Gruß
Feindbild

@ Feindbild. STIMMT wenn es danach ginge, dürfte ja gar keiner mehr da rum Laufen
und man müßte den ganzen Tourismus einstellen.
Und außerdem hat es die ganzen Jahre keinen Interessiert, was aus den Gebäuden wird und jetzt auf einmal?

Gruß
"""Kaiew"""

Vor allem hat der Staat ja keinen Nachteil davon, dass die Stadt stehen bleibt. Is ja nicht so, dass die Erhaltungskosten n Loch ins Budget reißen würden *hust* Die Zone muss ohnehin bewacht werden, mit oder ohne Pripyat, also gibts absolut nichts, was man durch einen Abriss der Stadt an Aufwand sparen könnte, ganz im Gegenteil. Die Ukraine konnte ja die Kosten für den neuen Sarkophag schon nicht stemmen, geschweige denn auch noch sowas...

Wer weiß, wer weiß am Ende ist das nur eine PR-Aktion damit möglichst viele Leute in die Sperrzone Reisen.